Ich erinnere mich noch an den Tag, als ich auf einmal selber lesen konnte. Die Freude war groß, größer als auf mein Lieblings-Schokoladeneis. Es war ein Märchenbuch von „Keloglan“, das ich tausende Male von meiner Großmutter, die sich so liebevoll um mich kümmerte, vorgelesen bekam und das ich selber viele Male durchblätterte. Seitdem habe ich viel gelesen und sehr viel wieder vergessen. Irgendwann kam das Schreiben dazu. Ich habe viel geschrieben und sehr viel wieder gelöscht, verloren oder zerrissen.
Wunderbare, starke Frauen begleiteten mein Leben; meine Urgroßmutter, Großmutter und meine Mutter. Ich wuchs mit sehr viel Liebe und Fürsorge auf. Damals dachte ich nicht, „hauptberuflich“ Autorin zu werden, aber mit zunehmendem Alter und Verständnis über die Geschehnisse um mich herum, wurde ich immer unruhiger, unglücklicher. Ich gehöre zu den (türkischen)Mädchen, die eine schöne Kindheit in einer aufgeschlossenen Familie mit dazu gehörenden Ausbildungsmöglichkeiten genießen durfte.
Dass ich auf die Universität gehe, einen Beruf erlerne, um auf eigenen Beinen stehen zu können, war selbstverständlich. Irgendwann hatte ich das Gefühl von „Verzweiflung über totale Nutzlosigkeit“. Es geschieht so viel Gemeines, Ungerechtes, und ich kann nichts dagegen tun! Es ist einfach, sich über alles zu beschweren. Über das Land, die Menschen, Männer, doofe Frauen, aber wo fängt man an zu helfen? Was kann man ganz alleine tun? Raus gehen und nur erzählen, ist zu wenig, Geld sammeln, um weiter zu geben, ist sehr ermüdend und sinnlos. Es muss irgendetwas geben, dass nur ich alleine machen kann und dass kontinuierlich weitergehen kann. So habe ich eines Tages ganz bewusst eine Möglichkeit gesucht und die Organisation „Verein zur Förderung der zeitgemäßen Lebensweise“ ausgewählt. https://www.cydd.org.tr/
Der Verein in der Türkei wurde 1989 von der einzigartigen, wunderbaren Professorin Türkan Saylan gegründet, der seither ununterbrochen versucht, Jugendlichen eine Erziehung nach laizistischen Grundideen zu ermöglichen, sowie der Islamisierung und Rückständigkeit entgegenzutreten. Ich unterstütze vor allem deren „Stipendienprojekt für Mädchen in der Schule“, denn ich glaube wahrhaftig, dass die Mütter, Tanten, Großmutter die Gesellschaft weitgehend mitgestalten und ändern können. Eine wertgeschätzte, ausgebildete, geliebte Generation kann viel bewegen. Die gesamten Einkünfte meiner beiden Geschichtenbücher „Königin der Wüste, armer Teufel und Hochstapler Tomate“ und „Der verliebte Weihnachtsmann“ werden an das Projekt gespendet. Bisher konnte ich die Schulkosten für 7 Mädchen für ein Jahr aufbringen, es werden hoffentlich kontinuierlich mehr. In Deutschland wurde „der Verein zur Förderung der zeitgemäßen Lebensweise“ 1996 im Münsterland gegründet und setzt die Arbeit im Sinne von Türkan Saylan fort. http://cydd.de/
Verein zur Förderung der zeitgemäßen Lebensweise macht aber viel mehr. In den letzten 30 Jahren hat der Verein mit seinen Standorten in fast hundert Städten der Türkei folgende Erfolge erzielt:
- 89.650 Stipendien für Schulmädchen
- 36.005 Stipendien für Studenten an den Universitäten
- Eröffnung von 769 Kindergärten, sowie 565 Kinderspielplätze
- Gebaut sind: 2 Gymnasien, 6 Kindergärten mit jeweils 17 Klassenzimmern, 24 Grundschulen, 32 Dorfschulen und 36 Studentenwohnheime.
- Zusätzlich wurde eine Universitätsausbildungseinheit und 20 Bildungs- und Kulturhäuser gebaut
- 550 Schulen haben verschiedene Materialien erhalten
- 550 Schulen und Organisationen haben Bücher erhalten.
- Für 30 Schulen wurden voll ausgestattete Bibliotheken gebaut
- Mit Buchsammlungskampagnen wurden 5 Millionen Bücher an Bedürftige verteilt
Über Türkan Saylan
Ihre ersten Erfolge als dermatologische Hochschulprofessorin errang sie in der Bekämpfung der Lepra, die zur Verleihung des Gandhi-Preises durch Indira Ghandi führten. Sie gründete Krankenhäuser und reiste mit ihren Studenten durch Anatolien, um Leprafälle zu behandeln. Sie bemerkte die schlechte Versorgung der anatolischen Bevölkerung und gründete mit Gleichgesinnten den „Verein zur Förderung der zeitgemäßen Lebensweise“, um der Islamisierung und Rückständigkeit entgegenzutreten. Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen, war Initiatorin der großen Demonstrationen im Jahr 2007 in Istanbul, Ankara und Izmir. Es gelang ihr, in fast hundert Städten der Türkei Standorte des Vereins zu errichten, um Jugendlichen eine Erziehung nach laizistischen Grundideen zu ermöglichen. Sie geriet mit ihrer fortschrittlichen, zukunftsorientierten Arbeit in den Blick der Politik, musste sich polizeilichen Hausdurchsuchungen und Verhören unterziehen, die Vereinsbüros wurden durchsucht, sie erhielt Hausarrest. Eine Mitstreiterin der ersten Stunde übernahm den Vereinsvorsitz und führt jetzt ihr Lebenswerk weiter.
About Türkan Saylan
Türkan Saylan’s first success as a dermatological university professor was in the fight against leprosy, which led to the awarding of the Gandhi Prize by Indira Ghandi. She established hospitals and travelled throughout Anatolia, treating victims of leprosy. She noticed the poor education and condition of the Anatolian people, and with like-minded colleagues founded the ‘Association for Supporting Contemporary Life,’ to counter Islamization and backwardness. She received numerous awards and was the initiator of several large demonstrations in 2007 in Istanbul, Ankara and Izmir. She set up the Association’s locations in almost a hundred cities, enabling young people all over Turkey to be educated according to secular ideas. Her progressive, future-oriented work pulled her into the political eye, wherein she braved the police searching her house and offices, interrogations, and house arrest. A co-founder took over the chairmanship and is now ensuring the continuation of her life’s work.