Was ab und zu ein Geruch, ein Wort, eine Form, eine Melodie in uns auslösen kann und wie unvorhersehbar, unvorstellbar, wunderbar oder aber es vernichtend sein kann. Jeder hat eine Schatzkiste.

 

Vom Buch Königen der Wüste, armer Teufel und Hochstapler Tomate.

 

Mein Lindenbaum

Ich fliege einem Geruch hinterher. Der, mit dem ich zusammen meine Kindheit verbracht habe. Der mein bester Freund ist. Der während jedes glücklichen Moments meines Lebens bei mir war. Der mich liebt. Der auf mich aufpasst. Den ich sehr, wirklich sehr stark vermisst habe, der Geruch meines Lindenbaumes. Oh, wie oft hast Du mir während meiner Kindheit geholfen, hast meine Einsamkeit mit mir geteilt. In den Nächten, als ich nicht schlafen konnte, habe ich immer unseren Pfiff ausgestoßen, damit Du heimlich Deine Äste durch mein Fenster streckst und mich umarmst. Wir haben dann zusammen den Mond und die Sterne angeschaut. Ich habe Dir all meine Geheimnisse anvertraut. Du hast meine Geheimnisse niemandem weiter erzählt, hast sie nur mit mir geteilt. Ich habe meinen ersten Tanz unter Deinen Ästen gelernt, mein Lindenbaum. „Sei still, hör mal, wie schön der Wind für uns musiziert!“ Für Dich haben sich die Wiegenlieder, die ich Dir gesungen habe, so angehört, als seien sie die Musik des Windes. Ich habe immer in Deinen Armen geschlafen, und Du hast mich immer umfangen, gestreichelt, geküsst. Mit Deinem Atem raubenden Geruch hast Du mich glücklich gemacht. Du hast immer Deine Arme für mich offen gehabt, sommers wie winters. Als sie mich mit dem Stock verprügelt haben, der auseinem Deiner Äste gemacht war, hat es mir nicht wehgetan. Als ich mich vor denanderen in Deinen Ästen verstecken wollte, hast Du ihnen den Weg nach oben versperrt, hast alles dicht gemacht. Nur ich konnte auf Dich hinauf klettern. Ich und die Eichhörnchen.

An dem Tag, als ich mich von Dir trennte, mein Lindenbaum, dachte ich, ich würde sterben. Ich wehrte mich dagegen, aber sie fesselten meine Hände. Ich wollte fliegen, mein Lindenbaum. Ich wollte fliegen wie die Vögel, sehnte mich zurück nach Deinen Ästen, aber sie schlossen die eiserne Tür vor meinem Gesicht. Ich wollte schreien, mein Lindenbaum, damit der Wind meine Stimme zu Dir trägt, damit du mich mit Deinen Wurzeln unter die Erde ziehen kannst. Doch sie schnitten meine Zunge ab.

 

How  a smell, a word, a form or a melody can trigger in us some unpredictable, unimaginable, wonderful feelings and how destructive it can be. Everyone has a treasure chest.

 

From the book Queen of the deserts, the poor devil and the trickster tomato.

 

My Linden  Tree

I’m flying in the direction of a scent. It’s the smell of my linden tree, the constant companion of my childhood, my best friend, the one who was by my side in all of my happy memories, who loved me and protected me, and whom I miss terribly.

You were so supportive, sharing my loneliness with me throughout my childhood. On nights when I couldn’t sleep I would call to you with our private whistle, and you would secretly stretch your branches through the window to embrace me. We would watch the moon and the stars together, and I would tell you my deepest secrets. You would share my secrets with me without telling a single soul. I learned to dance in your branches, my linden tree. “Hush, look, listen, what lovely music the wind is playing for us tonight.” You would always listen to the lullabies I sang for you like they were the music of the wind, too. I always fell asleep in your branches, and you would wrap me in a hug, pet me, kiss me. Your lovely scent brought me such happiness. Winter or summer, you would open your arms to me. When they would beat me with a baton made from your branches, you would hurt alongside me. When I fled from the others and took refuge in you, you wouldn’t let them climb your branches, you blocked their way. I was the only one who knew the joy of your branches. Well, and the squirrels, too.

On the day I left you, my linden tree, I thought I would die. I resisted fiercely, and they put me in handcuffs. I wanted to fly like a bird, my linden tree, to fly and return to your branches, but they shut the iron door in my face. I screamed so that the wind would carry my voice to you, my linden tree, I screamed for you to come and pull me under the soil with your roots, and they cut out my tongue.